In unserer Serie stellen erfolgreiche JugendtrainerInnen ihre Trainingsphilosophien vor. Ronnie Karohs, Jugendtrainer der U14 weiblich beim Schweriner SC und Deutscher Meister 2019 und 2018, gibt einen ausführlichen Einblick in die komplexe Arbeit in diesem Altersbereich.

Fokus auf langfristige Entwicklung

In der Ausbildung von jungen Volleyballerinnen sollte das Hauptaugenmerk auf einer allgemeinen, langfristig angelegten Entwicklung liegen. Daher steht nicht immer der Gewinn einer Meisterschaft im Vordergrund, sondern das, was für die Kinder auf lange Sicht am aussichtsreichsten ist. Die Grundlage bilden daher für jede Volleyballspielerin eine über Jahre aufgebaute Athletik und ein sehr breites Bewegungsrepertoire unter Einbezug möglichst vieler volleyballspezifischer und anderer sportlicher Bewegungsfertigkeiten. Demzufolge geht dieser Ansatz zu Lasten einer kurzfristig angelegten Technikakzentuierung bzw. frühzeitigen Spezialisierung.

Im Altersbereich der U14 befinden sich die Sportlerinnen in der Grundlagenausbildung, wobei Spitzenathletinnen in diesem Alter bereits ein beachtliches Spielniveau aufweisen können. Um die Entwicklung im U14-Bereich zu optimieren, sollten alle Einflussfaktoren der volleyballspezifischen Spielfähigkeit visualisiert werden.

Abb. 1: Leistungsprofil einer Volleyballerin im Altersbereich der U14
Abb. 1: Leistungsprofil einer Volleyballerin im Altersbereich der U14

Spielphilosophie: Boxsystem statt Rautensystem

Zunächst sollte man sich Gedanken über eine Spielphilosophie (u. a. positive und negative Fehler) und eine geeignete Mannschaftstaktik machen. Diese sollten die Kinder in einem „Playersbook“ festhalten. Eine Mannschaftstaktik mit zwei Blockspielerinnen (Boxsystem) ist aus verschiedenen Gründen dem Rautensystem vorzuziehen. Während es die Abdeckung des Spielfeldes im Komplex II sowie die Blockarbeit erleichtert, fördert diese taktische Ausrichtung grundlegende spieltaktische Bewegungsfertigkeiten, die langfristig benötigt werden: Dazu zählen zum Beispiel das Ablösen vom Netz als freie Blockspielerin, Abstimmung von Vorder- und Rückspielerin sowie Ablösen vom Netz nach einer Blockaktion in der Transition. Viele Basistaktiken lassen sich besonders gut in kleinen Spielen oder den Sportspielen entwickeln, die einen festen Bestandteil der Erwärmung darstellen sollten, wie das Laufen zum Ball.

Ebenso sollten die SportlerInnen darin geschult werden, einen Matchplan umzusetzen. Dieser Aspekt lässt sich sehr gut durch Regel- bzw. Taktikvorgaben in verschiedenen Spielformen (u. a. Bingo, King of the Court mit Dankeball, Überzahlsituationen) oder Ausbildungswettkämpfen entwickeln.

Welche Techniken sollte man in der U14 können?

Natürlich stellt die Vermittlung der technischen Fertigkeiten in Übungsreihen und Spielformen den wesentlichen Bestandteil des Trainings dar. Dabei sollten die folgenden Zielsetzungen entwickelt werden:

  • Oberes Zuspiel frontal (bis über eine Entfernung von 5 – 7m) und über Kopf (→ Ballkontaktzeit sollte optimiert werden, um den Übergang in die U16 zu erleichtern)
  • Sprungzuspiel (lediglich für bewegungsbegabte und leistungsorientierte AthletenInnen umsetzbar)
  • Unteres Zuspiel beim Dankeball (optimale Position zum Ball, Schultern in Spielrichtung, stärkerer Impuls aus den Armen und Beinen, „Einfrieren“ der Arme)
  • Unteres Zuspiel in der Annahme (optimale Beinarbeit, Ausrichtung der Schultern, geringer Impuls aus den Armen und Beinen, „Einfrieren“ der Arme)
  • Unteres Zuspiel in der Abwehr (Ausgangsstellung: geöffnete, höher gehaltene Arme, möglichst Ausrichtung der Füße in Spielrichtung, „Eierschalenprinzip“ für die Arm- und Beinführung, rückwärtsgerichtete Armführung → in dem Altersbereich sehr schwer zu entwickeln)
  • Angriffsschlag im Stand nach hohem, einhändigem Anwurf
  • Finte und Angriffsschlag im Sprung mit Auftaktschritt (wichtig ist dabei das Einnehmen einer optimalen Anlaufposition nach einer Blockaktion, nach Annahme kurzer oder langer Bälle → Laufbewegungen sollten sich am Großfeld orientieren; Schlagrichtung bleibt meist diagonal; Leistungsspitzen nutzen bereits den Linienschlag)
  • Flatteraufschlag im Stand (Anwurf einhändig) und im Sprung (Anwurf einhändig oder beidhändig) auf verschiedene Positionen (leistungsorientiert kurze Aufschläge)
  • Block (leistungsorientiert mit Innenstart) aus einer optimalen Ausgangsposition heraus
Ronnie Karohs und der Schweriner SC nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2019 (Bild: Helmut Keiling)

Grundsätze für den technisch-taktischen Bereich

Bei der Ausbildung im technischen und taktischen Bereich sollte man unbedingt darauf achten, Übungs- und Spielformen zu wählen, die den folgenden Grundsätzen genügen:

  • Keine Abläufe üben, die so im Spiel nicht vorkommen (z. B. aus dem Lauf zum Netz blocken, Dankeball-Annahme vom Netz weg ins Halbfeld)
  • Hohe Wiederholungszahlen in kurzen Zeiträumen ermöglichen (Übungen mit mehreren Bällen erhöhen deutlich die Wiederholungsrate)
  • Techniken möglichst in Spielsituationen anwenden
  • Techniktraining immer im ausgeruhten Zustand
  • Erklärung einer Übung bei Bedarf visualisieren (Whiteboard, Taktikboard à spart Zeit)
  • Miteinander geht häufig dem Gegeneinander voraus

Einhändige Angriffsaktionen fördern

Im U14-Bereich sollte man die Kinder unbedingt dazu ermutigen, immer wieder den Abschluss in einer einhändigen Angriffsaktion zu suchen, sofern es der Spielaufbau zulässt. Zwar wird dies zu Beginn der Saison zu Lasten der eigenen Spielleistung gehen, allerdings zahlt sich dieses Vorgehen bereits zum Ende des Ausbildungsjahres aus. Betrachtet man die motorische Entwicklung von Kindern, so empfiehlt sich dieses Vorgehen ebenfalls. Die Kinder befinden sich an der Schwelle zur Pubeszenz, weshalb man die hohe Lerngeschwindigkeit des späten Schulkindalters ausnutzen sollte, bevor eine Längenzunahme den Lernzuwachs reduziert. Von daher sollte bereits eine gute Basis für die sehr komplexe Spielhandlung Angriffsschlag entwickelt werden.

Regionalmeisterschaft der U14: Einhändige Angriffsaktion einer Spielerin des Dresdner SC (Bild: Holger Reinhold)

Umgang mit Emotionen: positive Körpersprache fördern

Eine nicht unerhebliche Beachtung erhalten die Bereiche soziale und psychische Fähigkeiten. Diese können sich bereits in der Spielphilosophie widerspiegeln. Man sollte daher unbedingt darum bemüht sein, selbstbewusste, spielfreudige Kinder hervorzubringen, die sich durch eine sehr positive Körpersprache auszeichnen. Dabei gilt es, den Umgang mit Fehlern und Emotionen zu lernen, schnell den Blick nach vorn und eben nicht nach hinten zu richten. Dies zu erlernen, stellt einen langjährigen Prozess dar, der im U14-Altersbereich seinen Anfang finden sollte. Hierbei zeigen die SpielerInnen sehr individuelle Tendenzen, begleitet von mehr oder weniger Emotionen, die in Einzel- bis Mannschaftsgesprächen thematisiert und gefördert werden sollten. 

Dazu gehört es auch zu lernen, als Team zu funktionieren bzw. zu denken. Deshalb sollte man Kinder immer wieder dahingehend schulen, darüber nachzudenken, was die eigene Aussage und das eigene Verhalten bei einer Mitspielerin, einem Mitspieler bewirken kann. Die Mannschaft sollte sich im Gespräch mit TrainerInnen auch darauf verständigen, welche Intensität sie in die Körpersprache legen. Häufig sind die Kinder noch recht zurückhaltend in ihrer Körpersprache, was unterschiedlichste Ursachen haben kann, u. a. Aufregung, geringerer Wahrnehmungsfokus, Ängste. Viel Emotionalität kann Kräfte freisetzen, kostet aber Energie, die für die folgende Spielhandlungen fehlen könnte. Zu wenig Körpersprache kann die Spielleistung mindern. Das gesunde Maß zu finden, ist hierbei der entscheidende Faktor. Nicht zuletzt sollte sie authentisch und nicht antrainiert wirken.  

Jubel nach dem Gewinn im Tie-Break (Foto: Sportgymnasium Schwerin)

Athletik, Koordination und Ernährung

Im athletischen Bereich ist generell auf ein grundlagenausgerichtetes, allgemeines und altersgerechtes Krafttraining zu achten. Zu Beginn jeder Saison sollte ein athletischer Aufbau über 4 bis 6 Wochen stattfinden (je nach Saisonverlauf eine zweite 3 – 4 – wöchige Phase). Drei Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden –Training der im Volleyball benötigten Muskelschlingen, Arbeiten mit dem eigenen Körpergewicht oder geringen Zusatzlasten (Besenstiel, Medizinbälle je nach Entwicklungsstand der Kinder), Ausgleich von muskulären Dysbalancen (Schultergelenk, Rücken, Hüftgelenk). Aufbauend darauf können die unterschiedlichen Arten der Schnelligkeit entwickelt werden. Das Volleyballtraining sollte über die gesamte Saison hinweg von einem vielseitigen Rumpfstabilisationsprogramm begleitet werden. 

Als ganz wesentlicher Baustein kann das Training der koordinativen Fähigkeiten angesehen werden, dass den Lernprozess der volleyballspezifischen Techniken deutlich positiv beeinflusst. Der Vielseitigkeit sollte hierbei ebenfalls eine hohe Priorität eingeräumt werden (u.a. Koordinationsleiter, Mehrballübungen unter Einbezug unterschiedlicher Körperteile und Ballmaterialien, Schaumstoffsteine, LifeKinetik). 

Ergänzt wird das Training durch die Einflüsse aus anderen Sportarten, wobei sich vornehmlich Sportarten empfehlen, die eine hohe Transferenz (positiver Übertragungseffekt) zum Volleyball aufweisen.

Als sehr lohnend hat es sich erwiesen, in dieser Altersstufe unter Einbezug der Eltern mit einer Ernährungsberatung zu beginnen (Grundlage: Dr. med. Peter Konopka – Sporternährung, GEO Wissen – Gesunde Ernährung). Auf diesem Wege kann man die Kinder und Eltern frühzeitig für eine gesunde und wettkampfgerechte Ernährung sensibilisieren.

Ein komplexer Prozess

Zusammenfassend wird deutlich, dass die Entwicklung der Spielfähigkeit im Volleyball äußerst komplex ausfällt. Es stellt daher eine große Herausforderung dar, diesen Vermittlungsansatz für eine Mannschaft mit 12 – 16 Individuen so umzusetzen, dass am Ende eine möglichst optimale Spielleistung entsteht. Dieser Prozess bedarf viel Erfahrung und Geduld. Als JugendtrainerIn darf man in diesem Kontext nicht das langfristige Ziel aus den Augen verlieren, nämlich möglichst viele Spielerinnen für den Breiten- und Leistungsvolleyball zu gewinnen. Der Austausch mit TrainerInnen aus anderen Sportarten eröffnet dabei immer neue Perspektiven und kann das Training häufig bereichern.

Als TrainerIn sollte man dabei nicht unbedingt als „Freund“ bzw. „Freundin“ der Mädchen auftreten. Vielmehr sollte sich die Beziehung durch einen respektvollen, freundlichen, mitziehenden und konstruktiven Umgang auszeichnen. Es lohnt sich daher eine gewisse Distanz zu wahren.

Über den Autor
Ronnie Karohs ist Trainer der U14 weiblich des Schweriner SC und Deutscher Meister 2019 in dieser Altersklasse.

1 Kommentar

Jannis · 10. Februar 2020 um 21:37

Ein super Artikel. ??? Ich habe nur eine Frage: In dem Technikteil wird vom „Eierschalenprinzip“ im unterem Zuspiel gesprochen. Was ist damit gemeint?

Schreibe einen Kommentar