Zu Beginn eine kleine Anekdote aus meinen frühen Trainerjahren. Relativ am Anfang hatte ich eine Jugendmannschaft, Jahrgang 2001, die U16 gespielt hat. Es gab im Verein eine ältere Mannschaft, Jahrgang 2000 und 1999, die U18. Wir haben zusammen auch in der Breitensportliga unseres Kreises gespielt, wodurch sich ein gewisser guter Konkurrenzkampf entwickeln konnte. Neben einer guten technisch-taktischen Ausbildung war mir aber vor allem Erfolg wichtig. Umso größer war die Freude, als wir tatsächlich im direkten Duell einen Satz gewinnen konnten. Als es dann auf die Finalspiele der Altersklassen zuging, kam die Trainerin der U18 auf mich zu und wollte zwei gute Spielerinnen von mir mit zu ihr ins Training nehmen. Ich habe mich sehr schwergetan, dachte, dass wir dadurch nicht vorwärtskommen würden. Wir einigten uns darauf, dass sie eine der drei Trainings in der Woche oben mit dabei sein werden. Ein großer Fehler, wie ich heute sagen würde.
Warum nicht abgeben?
Ich weiß bis heute nicht genau, woher dieses Unwohlsein kam, dass ich eine gute Spielerin nur schwer nach oben abgeben konnte. Ich wusste, dass die Trainerin sehr gut war – und auch ist. Vielleicht war es der Wunsch, gewinnen zu wollen? Vielleicht war ich mir tatsächlich unsicher, ob das Trainingsniveau nicht komplett absacken würde. Sicher weiß ich jedoch, dass es ein Fehler war, so zögerlich zu sein.
Aus heutiger Sicht ist die Frage für mich leichter zu beantworten: Wenn es Talente gibt, die man in den älteren Trainingsgruppen gut mit integrieren kann, sollte man das auch tun. Dennoch scheint es Vorbehalte unter Trainer*innen zu geben, deswegen möchte ich auf einige Argumente dahingehend antworten:
1. Argument: Die Spieler*innen müssen doch auch in der Jugendmeisterschaft zusammenspielen und brauchen die Abstimmung!
Grundsätzlich mag das zwar stimmen, ist aber aus meiner Sicht kein Argument, ein Höhertrainieren zu verhindern. Training und Wettkampf hängen da aus meiner Sicht im Jugendbereich nicht zusammen. Letztendlich wollen wir Spieler*innen so ausbilden, dass sie sich optimal und schnell verbessern. Dann können sie immer noch in Vorbereitung auf eine Meisterschaft zusammen trainieren und dabei auch zum Beispiel Abstimmung trainieren. Lieber möchten wir technisch herausragende Spieler*innen ausbilden, die sich beispielsweise beim Angriff schnell an ein anderes Zuspiel anpassen können, als Spieler*innen, die nicht ordentlich angreifen können, allerdings gut mit einem oder einer bestimmten Zuspieler*in funktionieren. So wird es auch im Prinzip in allen Leistungsstützpunkten in Deutschland gehandhabt: Wenn man beispielsweise nach Dresden in die zweite Bundesliga mit dem VC Olympia Dresden 1 schaut, dann sind dort mit einer Altersspannweite von Sina Stöckmann (Jahrgang 2002) bis Lotte Goertz (Jahrgang 2005) insgesamt vier Jahrgänge vertreten, wobei Lotte als Einzige letzte Saison dort noch U16 spielen konnte. Sollte man sie nur wegen ihres Alters noch in der Regionalliga oder sogar Sachsenklasse spielen lassen, wo auch die anderen ihres Jahrgangs spielen?
2. Argument: Wenn ich gute Spieler*innen abgebe, bricht mein Trainingsniveau zusammen, dann kommt niemand mehr weiter!
Zunächst scheint das ein nachvollziehbares Argument zu sein. Denken wir nur an eine Spielerin in der U13, die beispielsweise als einzige ein hohes Zuspiel kann. Wenn man sie in die U14 schickt, wird sie sich sicherlich weiterentwickeln, die anderen können aber vielleicht keinen Angriff mehr lernen. Vielleicht ist dieses Beispiel nicht das beste, denn hier liegt die Lösung auf der Hand: In jedem Fall sollten jede*r ein hohes Zuspiel beherrschen und es deswegen als Erstes trainiert werden, ansonsten kann auch der oder die Trainer*in einspringen und Bälle anwerfen. Generell kann man aber sagen, dass es eigentlich einfacher ist, in homogenen, also leistungsähnlichen Teams zu trainieren. Die vermeintliche Schwächung eines Teams kann also dafür genutzt werden, um diese schwächeren Spieler*innen zielgerichteter auf ein höheres Spielniveau zu heben, ohne die besseren zu langweilen und die schlechteren zu überfordern, indem dann gezielter an den Schwächen gearbeitet werden kann. Zudem kann man wiederum starke Talente aus einer jüngeren Mannschaft wieder mit nach oben ziehen, was wiederum diese voranbringt. Es ist also ein Kreislauf, der am Ende alle weiterbringt.
3. Argument: Die Spieler*innen verlieren ihren Teamzusammenhalt, wenn man sie in andere Mannschaften steckt, und hören vielleicht auf!
Dieses Argument hängt von einigen Faktoren ab. Grundsätzlich kann man sagen, dass es immer Spieler*innen geben wird, die nur mit Freunden zusammentrainieren. Wenn aber von Anfang an schon bessere Talente nach oben abgegeben werden, werden starre Mannschaftsstrukturen vermieden. Aus meiner Sicht sind Mannschaften, die über Jahre bestehen bleiben, sehr problematisch: Erstens haben es neue Spieler*innen meist schwerer, von der Mannschaft akzeptiert zu werden. Zweitens gibt es häufig Probleme, wenn dann umstandsbedingt sich in der Teamkonstellation etwas ändert. Nicht selten passiert es daher, dass Teams zerbrechen, wenn es einen Trainer*innenwechsel gibt. Wenn die Spieler*innen aber daran gewöhnt sind, dass sich nach jeder Saison oder sogar in der Saison die Teamzusammensetzung ändert, gibt es weniger Konflikte dahingehend. Der Sorge, dass durch die regelmäßigen Änderungen kein Teamgefühl entsteht, kann ohne Probleme durch Teambuildingmaßnahmen zu Beginn der Saison entgegengewirkt werden.
Also, bitte fördert eure Talente!
Mich beschäftigt dieses Thema sehr und sicherlich könnte man noch einige andere Argumente mit anbringen. Aus meiner Sicht überwiegen alle Argumente, Talente nach oben hin abzugeben. Sicherlich ist es in jedem Fall eine Einzelentscheidung, die durchaus nicht leicht sein kann. Man sollte sich aber immer als Trainer*in reflektieren und abwägen, was das Beste für das Talent ist. Mein Appell ist dennoch klar: Gebt talentierte Kinder und Jugendliche ab, lasst sie auf höherem Niveau trainieren – am Ende profitieren alle davon!